Aufhebung der Visafreiheit für Balkan-Staaten verlangt

Ein Ausschuss im Europaparlament stimmte dafür, dass EU-Länder im Notfall die Visafreiheit für Angehörige aus Nicht-EU-Ländern für eine gewisse Zeit aussetzen dürften. Mitgliedstaaten und das Plenum des Europäischen Parlaments werden nun darüber abstimmen.

Bürger aus Ländern wie Mazedonien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Albanien dürfen seit einigen Jahren ohne Visum in ein EU-Land einreisen.

Auf Druck von - unter anderem - Deutschland und Frankreich soll nun eine Notfall-Klausel eingeführt werden, die ausnahmsweise doch eine Visumpflicht erlaubt. Als Grund wird von deutscher Seite aus die gestiegene Anzahl von Asylbewerbern aus den Balkan-Staaten genannt. Diese seien Wirtschaftsflüchtlinge und kämen nach Deutschland nachdem das Bundesverfassungsgericht die Bezüge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz als verfassungswidrig beurteilte und diese nunmehr bis zum Erlass einer neuen Regelung auf dem Niveau von Hartz IV-Leistungen anzusiedeln sind. Tatsache ist, dass der Großteil der Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten abgelehnt werden. Der Bundesinnenminister sorgte zuletzt für Aufsehen, als er für ein verkürztes Asylverfahren eintrat.

Die Aufhebung der Visumfreiheit darf allerdings nicht leichtfertig vorgenommen werden, nur weil es der Bundesrepublik nicht passt, dass viele Asylanträge gestellt werden.

Zunächst einmal ist die Aufhebung nur unter besonderen Voraussetzungen möglich. Der Ausschuss des Europäischen Parlaments bekundete, die Aufhebung der Visumfreiheit dürfe nur aufgehoben werden, wenn es einen "substanziellen und plötzlichen Anstieg" der Zahlen der illegalen Einwanderer gibt. Daher ist fraglich, ob der Anstieg der Einwandererzahlen aus den Balkanstaaten wirklich "substanziell", das heißt von überragender Bedeutung, ist. Dies bereits mag angesichts des Rückgangs dieser Zahlen bereits zweifelhaft sein. Überdies müssten die Asylanträge der Einwanderer auch unbegründet sein. Auch wenn Herr Friedrich für ein verkürztes Asylverfahren ist, so bedarf es einer sachlichen Prüfung, die auch die Bedürfnisse der Asylbewerber berücksichtigt. Die Flüchtlinge einfach als "Wirtschaftsflüchtlinge" zu bezeichnen bedeutet eine Pauschalisierung und berücksichtigt keinesfalls die Belange des Einzelnen, der vielleicht doch aufgrund seiner Rasse oder Religion verfolgt wird. Das Asylverfahren als grundgesetzlich garantiertes Recht jedes Verfolgten geriete in Gefahr, wenn die Visumfreiheit fallen würde. Denn ein Visum zu bekommen ist zeitaufwändig und unsicher. Wenn jemand tatsächlich verfolgt wird, ist diese Wartezeit sogar möglicherweise lebensbedrohlich. Die Konsequenz wäre lediglich, trotz Visumpflicht ohne Visum einzureisen und sich somit strafbar zu machen wegen unerlaubter Einreise. Dies kann nicht der letzte Schluss sein.

Die EU-Länder würden gut daran tun, bei der Annahme der Ausnahmeklausel Vorsicht walten zu lassen und diese tatsächlich nur als ultima ratio in Betracht zu ziehen. Die Menschenrechte mögen als mahnendes Banner bei jeder Entscheidung vorweg schreiten.